Barrierefreiheits­­stärkungsgesetz für Websites ab 2025

Ab Mitte 2025 müssen Websites, die elektronische Dienstleistungen anbieten, barrierefrei gestaltet und umgesetzt sein. Was das bedeutet und welche Folgen das für Ihre Website hat, erfahren Sie in diesem Artikel.

Mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wird es ab Juni 2025 Pflicht: Wer über eine Website elektronische Dienstleistungen anbietet – sei es z.B. eCommerce oder die Kontaktaufnahme für ein Kundengespräch –, ist dazu verpflichtet, die Website barrierefrei im Sinne des Gesetzes zu gestalten. Was bedeutet das? Welche Folgen hat das? Und für wen gilt es genau?

Bitte beachten Sie: Dieser Text ersetzt keine Rechtsberatung. Für alle juristischen Fragen sollten Sie einen im jeweiligen Fachgebiet ausgewiesenen Rechtsbeistand hinzuziehen.

Was ist Barrierefreiheit bei Websites?

Auf Websites bezogen bedeutet Barrierefreiheit, dass die Website auch für Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen auf robuste Art und Weise wahrnehmbar, bedienbar und verständlich sein muss. Das Thema spielt schon seit langer Zeit vor allem im Bereich des UX-Designs eine große Rolle und wird oft mit dem englischen Begriff der “Accessibility” beschrieben.

Wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust: Was bedeutet das im Einzelnen?

  • Wahrnehmbar (Perceivable): Informationen und Interface müssen von allen Nutzer:innen aufgenommen werden können. (Die Informationen und das Interface müssen also auch dann erfassbar sein, wenn einzelne Nutzer:innen sie mit einzelnen Sinnen nicht erfassen können.)
  • Bedienbar (Operable): Alle Funktionen der Website müssen für sie bedienbar sein, das Interface muss zugänglich, mögliche Interaktionen klar erkennbar sein. (Das Interface darf keine Aktionen verlangen, die manche Nutzer:innen nicht durchführen können.)
  • Verständlich (Understandable): Alle Informationen und die Art und Weise der Bedienung müssen für die Nutzer:innen leicht nachvollziehbar sein. (Sie dürfen nicht für manche Nutzer:innen unverständlich bleiben.)
  • Robust: Wahrnehmung und Nutzung der Website muss mit einer großen Zahl von Geräten zuverlässig möglich sein. (Dies schließt auch die Nutzung zukünftiger Geräte ein.)

Diese “Four Principles of Accessibility” oder “Vier Prinzipien der Barrierefreiheit” stellen die Grundlage der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), die seit Oktober 2023 in Fassung 2.2 als Goldstandard für barrierefreie Websites gelten.

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Die User Experience soll also so gestaltet sein, dass sie für alle Nutzer:innen brauch- und bedienbar ist, unabhängig von körperlichen, sensorischen oder kognitiven Einschränkungen sowie unabhängig von den konkreten technischen Hilfsmitteln, die die Nutzer:innen verwenden.

Eine Website, die eine dieser vier Prinzipien nicht erfüllt, ist für Nutzer:innen mit Beeinträchtigungen möglicherweise nicht nutzbar und gilt damit nicht als barrierefrei. 

Für wen ist Barrierefreiheit wichtig?

Barrierefreiheit von Websites ist relevant für alle Menschen, die aufgrund körperlicher oder geistiger Gegebenheiten möglicherweise Schwierigkeiten haben könnten, eine Website so zu nutzen, wie es eigentlich gedacht ist.

Die Art der Beeinträchtigung kann dabei sehr unterschiedlich sein – und davon sind zahlreiche Menschen auf unterschiedliche Art und Weise betroffen.

Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes leben in Deutschland (Stand 2022) etwa 7,8 Millionen Menschen mit einer schweren Behinderung – das sind fast 10% der deutschen Bevölkerung. Der Anteil der beeinträchtigten Personen nimmt mit dem Alter zu – ein Drittel der Betroffenen sind 75 Jahre oder älter, fast 80% der Behinderungen betreffen Menschen im Alter ab 55 Jahren.

Das bedeutet zugleich: In einer stetig alternden Bevölkerung nehmen die Zahl und vor allem der Anteil der behinderten Menschen zu. Damit wird es zunehmend wichtiger, diese Menschen bei der Planung und Umsetzung von Websites im Blick zu behalten.

Welche Beeinträchtigungen sind für barrierefreie Websites wichtig?

Natürlich haben nicht alle Beeinträchtigungen als konkrete Folge, dass die Nutzung einer Website schwieriger wird als für Menschen ohne vergleichbare Beeinträchtigungen.

Zugleich kann Barrierefreiheit aber auch für Menschen hilfreich und bedeutsam sein, die durch Unfälle, aktuelle Lebensumstände oder nur durch ihre ganz akute Lebens- und Arbeitssituation in der Nutzung einer Website beeinträchtigt sind. Man unterscheidet deshalb zwischen

  • dauerhaften,
  • temporären (zeitweilig auftretenden) und
  • situationalen (situationsbedingten) Beeinträchtigungen.

Zugleich unterscheidet man im Wesentlichen vier Typen von Beeinträchtigungen, die bei barrierefreien Websites zu berücksichtigen sind:

  • motorisch/sensorisch
  • visuell
  • auditorisch
  • kognitiv

Zur besseren Anschaulichkeit haben wir einige typische Beispiele für Beeinträchtigungen unterschiedlicher Art von unterschiedlicher Dauer und Persistenz in dieser Tabelle zusammengetragen; die Auswahl ist nicht vollständig und gibt auch nicht unbedingt die zahlenmäßig häufigsten Beeinträchtigungen wieder.

dauerhaftzeitweiligsituationsbedingt
Tasten und Bewegung
(motorisch/ sensorisch)
Amputationen, Lähmungen, Zahl der GliedmaßenVerletzungen, VerbändeKind auf dem Arm
Sehen
(visuell)
Blindheit, Kurzsichtigkeit, Rot/Grün-Schwäche, keine dreidimensionale SichtAugenverletzung oder -erkrankung, Brille verlegtSonnenlicht auf dem Display
Hören
(auditorisch)
Taubheit, Schwerhörigkeit, bestimmte Frequenzen nicht wahrnehmbarOhrenentzündung, Hörgerät verloren, Hörsturz, Verband über dem OhrUmgebungslärm (Großraumbüro, Straßenlärm, Baustelle)
Verstehen
(kognitiv)
Demenz, BrainfogMigräne, MüdigkeitMultitasking

Für wen ist Barrierefreiheit nützlich?

Der Blick auf zeitweise oder nur situationsbedingte Beeinträchtigungen zeigt zudem, dass Barrierefreiheit auf Websites auch deshalb sinnvoll ist, weil sie einer großen Zahl von Nutzer:innen die Interaktion mit Ihrer Website erleichtert. Barrierefreiheit macht Ihre Website für mehr Nutzer:innen besser nutzbar.

Bedeutsam ist auch, dass die weiter unten erläuterten Standards sich nur mit klarem, sauberem und standardkonformem HTML umsetzen lassen, das die Website klar gliedert sowie interaktive Elemente deutlich und eindeutig markiert. Genau diese Standardkonformität sorgt für besseren, auch schlankeren Code (und damit schnellere Websites) und gilt als eine wichtige Voraussetzung dafür, dass eine Website von Google verstanden und hoch gerankt wird.

Barrierefreiheit macht Ihre Website also nicht nur besser nutzbar, sie sorgt auch für mindestens technische Suchmaschinenoptimierung (Technical SEO). Mit anderen Worten: Barrierefreiheit ist ein Wettbewerbsvorteil.

Rechtliche Grundlagen ab 2025

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) setzt die Richtlinie (EU) 2019/882 des Europäischen Parlaments über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen in nationales Recht um. Diese EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit wird auch als European Accessibility Act, kurz: EAA bezeichnet.

Das Gesetz gilt grundsätzlich für Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht werden, und für Dienstleistungen, die nach diesem Stichtag erbracht werden.

Ausführliche Informationen zu den gesetzlichen Vorgaben und begleitenden rechtlichen Regelungen finden sich bei der Bundesfachstelle Barrierefreiheit. Dort finden sich nähere Informationen insbesondere zur konkreten Rechtsverordnung, wie das Gesetz umzusetzen ist, und zu den vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales herausgegebenen Leitlinien (hier als PDF), in denen die konkreten Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen näher beschrieben werden.

Für Websites ist dabei entscheidend, dass es bereits langjährig etablierte Standards und Kriterien gibt, die auch international Anwendung finden.

Welche rechtlich relevanten Standards und Kriterien für Barrierefreiheit bei Websites gibt es?

Für Websites sind im Kern zwei Standards für die Bewertung von Barrierefreiheit entscheidend:

WCAG 2.2

Die oben bereits erwähnten Web Content Accessibility Guidelines 2.2 in der Fassung von 2023 enthalten in aller Ausführlichkeit Richtlinien, wie Barrierefreiheit für Online-Inhalte (bzw. allgemein digitale Barrierefreiheit) gestaltet werden sollte. Die vom World Wide Web Consortium (W3C) bzw. deren Web Accessibility Initiative (WAI) entwickelten Standards formulieren Kriterien für drei Level der Barrierefreiheit: Von Level A für das absolute Minimum bis zu Level AAA für aktuell weitreichendste mögliche Barrierefreiheit.

Ein Level A-Kriterium wäre zum Beispiel, dass Farbe nicht das einzige visuelle Mittel ist, um eine Information zu transportieren, eine Aktion anzuzeigen oder eine Reaktion zu erbitten. Der Grund dafür ist naheliegend: Nicht alle Menschen können Farben gleichermaßen gut erkennen oder unterscheiden.

Ein Level AAA-Kriterium wäre, dass Texte sich immer mit einem deutlich sichtbaren Kontrast von ihrem Hintergrund bzw. ihrer Umgebung abheben müssen. Nur so sind sie zuverlässig auch für Menschen mit stark beeinträchtigtem Sehsinn noch erkenn- und lesbar. 

BITV 2.0 / EN 301 549 V3.2.1 (2021-03)

Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0, zuletzt 2023 geändert, basiert auf § 12d des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) zurück und regelt im Kern die bereits bestehende Pflicht für öffentliche Stellen in Deutschland, ihre Websites barrierefrei zu gestalten.

Die in § 3 der BITV angegebenen “Anzuwendenden Standards”, die für Websites gelten, werden über die Anforderungen  für den Webbereich definiert, nämlich die Anforderungen der Europäischen Norm für digitale Barrierefreiheit in EN 301 549 V3.2.1 (2021-03). (Die vollständige Fassung dieser Norm finden Sie hier als PDF.)

Dabei gilt es wohl als anerkannt, dass eine Website, die die Anforderungen der WCAG 2.2 einhält, auch als barrierefrei im Sinne der Norm und damit auch des BGG ist.

Im BFSG selbst werden solche Normen nicht klar definiert – eine entsprechende Formulierung in § 4 BFSG lässt aber vermuten, dass die genannte Europäische Norm hier ebenfalls als Maßstab genommen werden kann und sollte – dadurch wird in der Praxis auch die BITV für die Umsetzung von Barrierefreiheit als Basis genutzt werden können.

Internationale Standards machen Barrierefreiheit leichter

Dass die (nationale) deutsche Verordnung auf den international etablierten WCAG-Standard rekurriert, erleichtert die Umsetzung deutlich, weil so Accessibility für Websites auf dem technischen Level auf einer grenzüberschreitend gültigen Normenbasis umgesetzt werden kann und nicht unterschiedliche Standards für mehrere Rechtsräume zugleich berücksichtigt werden müssen.

Für welche Produkte gilt das BFSG?

Für welche Produkte das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gilt, ist in §1 (2) BFSG geregelt; unter anderem sind davon insbesondere folgende Produktgruppen betroffen:

  • Computer, Notebooks, Tablets, Smartphone, Mobiltelefone
  • Fernsehgeräte mit Internetzugang
  • E-Book-Lesegeräte
  • Automaten mit interaktiven Elementen, insbesondere Geldautomaten, Fahrausweis- und Check-in-Automaten
  • Router

Diese Produkte müssen in einer Weise hergestellt und verpackt werden, dass sie den Anforderungen des BFSG genügen.

Auch heute bereits bestehende Produkte müssen gemäß BFSG angepasst werden, wenn sie nach dem 28. Juni 2025 weiter verkauft werden sollen. Ausnahmeregelungen greifen, wenn das Produkt durch diese Anpassungen grundlegend verändert werden müsste oder die nötigen Maßnahmen so aufwändig wären, dass sie ein wirtschaftliches Risiko für das Unternehmen darstellen.

Für welche Dienstleistungen gilt das BFSG?

Die vom Gesetz betroffenen Dienstleistungen sind in §1 (3) BFSG beschrieben; dazu gehören insbesondere:

  • Telefon- und Messengerdienste
  • Bankdienstleistungen
  • elektronischer Geschäftsverkehr
  • E-Books
  • Dienstleistungen im überregionalen Personenverkehr, die auf Mobilgeräten angeboten werden (inkl. Apps)
  • generell Personenbeförderungsdienste (bei Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdiensten sind nur interaktive Selbstbedienungsterminals, s.o., konkret betroffen)

Auch für Dienstleistungen gelten die oben für Produkte vorgestellten Ausnahmeregelungen sinngemäß – wenn also die Dienstleistung zu sehr verändert werden müsste oder die Umstellung so aufwändig wäre, dass sie ein wirtschaftliches Risiko für das Unternehmen darstellt, kann es eine Ausnahme von den Pflichten des BFSG geben. Sprechen Sie dazu auf jeden Fall mit Ihrem Rechtsbeistand.

Für Websites relevant ist vor allem der Punkt des “Elektronischen Geschäftsverkehrs”, denn hiermit sind grundsätzlich auch alle geschäftlichen Transaktionen gemeint, die über eine Website vorgenommen werden können.

E-Commerce gehört selbstverständlich dazu, ebenso können aber auch Kontaktaufnahme, Terminbuchung und andere Interaktionsmöglichkeiten dazu gezählt werden.

Gilt das BFSG auch im B2B-Geschäft?

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz dient zuallererst dem Zweck, das Interesse von Verbraucher:innen und Endusern an Barrierefreiheit durchzusetzen. Betroffen sind also in der Regel Produkte und Dienstleistungen, die sich an Verbraucher:innen richten. Daher ist laut der Rechtsanwältin Carolin Nemec “davon auszugehen, dass das BFSG für den B2B-Bereich nur geringe Relevanz haben wird.”

Im B2C-Bereich müsse allerdings, so schreibt sie weiter, davon ausgegangen werden, “dass auch die reine Geschäftsanbahnung unter den Anwendungsbereich des BFSG fällt.”

Für welche Websites gilt das BFSG?

Banken, Personenbeförderungs-Dienstleister und Mediendienste müssen ihre Websites mit dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz auf jeden Fall barrierefrei gestalten; das Gleiche gilt außerdem für alle Unternehmen, die Online-Handel betreiben, also über ihre Website Produkte oder Dienstleistungen verkaufen – auch dann, wenn diese Güter selbst nicht in den Geltungsbereich des BFSG fallen.

Dazu gehört jedoch nicht nur der reine E-Commerce. In den Leitlinien wird als Beispiel ein Friseursalon angegeben, der nicht nur online Haarpflegeprodukte verkauft (E-Commerce), sondern auch Online-Terminbuchungen ermöglicht. Wörtlich heißt es dort:

“Denn [das Geschäft] betreibt über die Webseite sogenannte „Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr“. Dabei handelt es sich um Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden.”

Sehr viele gewerbliche Websites werden – wenn sie nicht wegen eines Online-Shops sowieso barrierefrei zu gestalten sind – genau unter diese Kriterien für “Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr” fallen, insbesondere wenn Sie sich direkt an Endverbraucher:innen richten (B2C).

Rechtsanwältin Carolin Nemec hat das für uns noch einmal juristisch genauer beschrieben: “Erwägungsgrund Nr. 42 der dem BFSG zugrundeliegenden Richtlinie EU 2019/882 und die Gesetzesbegründung führen [zu Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr] aus, dass damit Dienstleistungen gemeint sind, die ohne die gleichzeitige Anwesenheit der Parteien erbracht werden. „Elektronisch erbracht“ sind Dienstleistungen demnach, wenn die Dienstleistung mittels Geräten für die elektronische Verarbeitung und Speicherung von Daten am Ausgangspunkt gesendet und am Endpunkt empfangen wird und vollständig über Draht, über Funk, auf optischen oder anderem elektromagnetischem Wege gesendet, weitergeleitet und empfangen wird. „Auf individuelle Anfrage“ bedeutet hierbei, dass die Dienstleistung erst auf die einzelne Aufforderung des Verbrauchers hin erbracht wird.”

Nemec ergänzt: “Hierunter fällt sowohl der E-Commerce allgemein als auch z.B. die Buchung von Terminen für Dienstleistungen über eine Website, selbst wenn die Dienstleistung als solche nicht unter das BFSG fällt. Ob eine Dienstleistung unter die Definition fällt, wird in Zukunft am konkreten Einzelfall zu prüfen sein.” (Hervorhebung von VERDURE)

Klären Sie also unbedingt mit einem Rechtsbeistand, ob Ihre Website und damit ggf. erbrachte Dienstleistungen gemäß den gesetzlichen Vorgaben unter das BFSG fallen und Sie die Regelungen zur Barrierefreiheit einhalten müssen!

Darüber hinaus müssen Websites auch eine “Erklärung zur Barrierefreiheit” bereithalten (bzw. eine analoge Information), die selbstverständlich selbst barrierefrei und barrierefrei zugänglich sein muss.

Insbesondere für kleinere Unternehmen bietet die Bundesfachstelle Barrierefreiheit auch Unterstützung und Beratung an.

Ausnahme: Kleinstunternehmen

Wichtig zunächst: Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz gilt nicht für Kleinstunternehmen, die für das Gesetz relevante Dienstleistungen anbieten. Als Kleinstunternehmen gelten dabei Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und entweder einem Jahresumsatz von höchstens 2 Millionen Euro oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens 2 Millionen Euro.Das heißt: Wenn nur eines dieser Kriterien nicht oder nicht mehr erfüllt ist, dann muss das Unternehmen die Regelungen des BFSG erfüllen. Für Unternehmen, die mit Produkten befasst sind, die unter das BFSG fallen, gibt es keine entsprechende Ausnahmeregelung.

Typische Probleme auf Websites

Es gibt eine Reihe von typischen Problemen, die für Menschen mit Beeinträchtigungen mit der Nutzung vieler Websites verbunden sind, konkrete Behinderungen also, die es Ihnen unter Umständen unmöglich machen, die Website so zu nutzen, wie es gedacht ist.

Zu diesen typischen Phänomenen gehören etwa:

  • Schwache Kontraste zwischen Text und Hintergrund – entweder durch spezifische Helligkeit oder durch bestimmte Farbtöne, die zum Beispiel bei Rot/Grün-Blindheit nicht gut voneinander unterschieden werden können.
  • Viel zu kleine Texte, die sich nicht vergrößern lassen.
  • Videos bieten keine Untertitel.
  • Navigationselemente, die nicht (oder nicht gut und sinnvoll) allein mit der Tastatur angesteuert und genutzt werden können – leicht nachvollziehbar wird das z.B. bei Formularfeldern, die per Tabulator nicht in der sinnvoll erwartbaren Reihenfolge nacheinander angesteuert werden können.
  • PDFs, deren Texte nicht erkannt und deshalb z.B. nicht vorgelesen werden können.
  • Komplizierte, verklausulierte und/oder bürokratisierte Sprache.
  • Bilder ohne Alternativtext, der z.B. für Screenreader genutzt werden kann.

Maßnahmen zur Reduktion von Barrieren auf der Website

Um die beschriebenen (und nur beispielhaften, keineswegs vollständig aufgezählten) Schwierigkeiten zu beheben, gibt es eine Reihe von Maßnahmen, die im Grunde auch schon jetzt und ohne die Verpflichtungen des BFSG umgesetzt werden können und sollten:

  • Schriftarten und Schriftgröße sollten so gewählt sein, dass die Texte immer gut lesbar sind und in ausreichendem Kontrast zum Hintergrund stehen.
  • Schrift sollte sich stets vergrößern lassen – und auch bei vergrößerter Darstellung sollte die Website noch voll und ganz benutzbar bleiben. Interaktive Elemente sollten auf jeden Fall groß genug und auch klar voneinander abgegrenzt sein.
  • Videos sollten stets mit Untertiteln auch in ihrer Ursprungssprache versehen werden. 
  • Links, Formulare, Buttons und Eingabefelder – letztlich alle interaktiven Elemente einer Website – sollten im Quellcode so ausgezeichnet sein, dass sie zum einen auch durch Screenreader korrekt erkannt und ausgegeben und zum anderen über die Tastatur problemlos und auf sinnvolle Art und Weise angesteuert werden können.
  • PDFs und andere Dokumente sollten barrierefrei gestaltet und umgesetzt werden.
  • Texte sollten stets verständlich und nachvollziehbar, klar strukturiert, sprachlich korrekt und sauber geschrieben sein. Ideal wäre es zudem, Inhalte in Leichter Sprache anzubieten, die auch von Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen gut verstanden werden können.
  • Bilder sollten stets mit Alternativtext versehen werden.

Ein weiterer, nicht-trivialer, aber wichtiger Schritt zur Barrierefreiheit? Eine Kontaktaufnahme sollte über unterschiedliche Wege möglich sein, also zum Beispiel per E-Mail, per Telefon und idealerweise auch über persönliche Besuche. Bedenken Sie stets, dass die Beschränkung auf einen bestimmten Kommunikationsweg bereits manche Menschen ausschließen kann.

Darüber hinaus sehen die WCAG- und BITV-Standards noch eine ganze Reihe von weiteren und nicht weniger wichtigen Maßnahmen und Schritten vor, mit denen Ihre Website wirklich barrierefrei nutzbar wird.

Welcher Stichtag gilt?

Als Stichtag für die Umsetzung des BFSG gilt der 28. Juni 2025. Alle anschließend publizierten und verfügbaren Inhalte müssen barrierefrei zugänglich sein. Gewisse Übergangsregelungen gelten bis Mitte 2030 (§ 38 BFSG) oder in seltenen Fällen darüber hinaus.

Für verschiedene spezifische Produkte und Dienstleistungen gibt es außerdem weitere Ausnahmen. Für Websites betrifft das insbesondere “Altlasten”: Videos und Dokumente, die vor dem 28. Juni 2025 produziert und publiziert werden, müssen nicht unbedingt barrierefrei gestaltet sein.

Damit sind zum Beispiel PDF-Dokumente und YouTube-Videos gemeint; interaktive Seiten einer Website jedoch (zum Beispiel ihr Kontaktformular oder der gesamte Bestellungs- und Bezahlprozess eines Online-Shops) müssen selbstverständlich bis Juni 2025 barrierefrei gestaltet werden.

Wer kontrolliert die Einhaltung des BFSG für Websites?

Grundsätzlich wird die Einhaltung des BFSG von den Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer kontrolliert.

Wenn sie feststellen, dass ein Unternehmen sich bei seinen Produkten oder Dienstleistungen nicht an die Regeln des BFSG hält, werden Sie zunächst das Unternehmen auffordern, sich zu äußern, ob nach Auffassung des Unternehmens ggf. Ausnahmeregeln greifen – oder das festgestellte Problem zu beseitigen.

Die Behörde muss dabei nicht immer von sich aus tätig werden, sie kann auch von Verbänden oder Verbraucher:innen dazu aufgefordert werden, gegen ein Unternehmen vorzugehen, wenn die Anforderungen zur Barrierefreiheit nicht eingehalten werden. Auch Verbandsklagen sind grundsätzlich möglich.

Unter Umständen ist auch vorstellbar, dass Mitbewerber die Möglichkeit haben, nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) gegen ein Unternehmen vorzugehen.

Welche möglichen Sanktionen gibt es bei Verstoß gegen das BFSG?

Wenn die Anforderungen jedoch auch nach Beanstandung und Fristsetzung durch die Behörden nicht eingehalten werden, können verschiedene Sanktionen verhängt werden.

Die zuständige Marktüberwachungsbehörde kann zum Beispiel bestimmen, dass ein Angebot oder eine Dienstleistung nicht weiter angeboten werden dürfen, wenn sie nicht barrierefrei zur Verfügung gestellt werden.

Zudem kann der Verstoß als Ordnungswidrigkeit gelten, für die ein Bußgeld von bis zu 100.000 Euro fällig wird.

Rechtsanwältin Carolin Nemec hat für uns noch auf zwei weitere Aspekte hingewiesen. Denn neben den Maßnahmen der Behörde können auch Käufer:innen womöglich zivilrechtliche Ansprüche geltend machen: “Bei Produkten sind vor allem Mängelgewährleistungsrechte der Käufer denkbar, bei Dienstleistungen eventuell Schadensersatzansprüche wegen (dienstleistungs-)vertraglicher Pflichtverletzung.”

Hinzu kommen außerdem wettbewerbsrechtliche Fragen. Nemec geht davon aus, “dass die Pflichten aus dem BFSG eine Marktverhaltensregelung darstellen und ein Verstoß gegen das BFSG damit meist gleichzeitig als ein Verstoß nach § 3a UWG einzustufen ist. Dies ergibt sich vor allem aus den Erwägungsgründen 5, 6 und 8 der dem BFSG zugrundeliegenden Richtlinie EU 2019/882. Als Rechtsfolge ist der Verletzer den Unterlassungs-, Schadensersatz- und Gewinnabschöpfungsansprüchen aus §§ 8-10 UWG ausgesetzt.”

Die konkrete Folge: Ein Verstoß gegen das BFSG kann dazu führen, dass Unternehmen “von Mitbewerbern oder qualifizierten Wirtschaftsverbänden abgemahnt werden können.”

Kritik am BFSG

Natürlich gibt es auch Kritik am BFSG; Fachverbände sehen darin, wie bei Aktion Mensch nachzulesen ist, eine letztlich “mutlose Minimalumsetzung der europäischen Vorgaben”.

Die Kritik richtet sich vor allem gegen drei Aspekte im Barrierefreiheitsstärkungsgesetz:

  • Lange Übergangsfristen. Neue, barrierefreie Bankautomaten etwa müssen zwar bis 2025 eingerichtet werden – bestehende Automaten dürfen aber bis 2040 weiter verwendet werden.
  • Beschränkung auf die Produkte und Dienstleistungen. Für das konkrete Beispiel regelt das BFSG etwa nicht, dass auch der bauliche Zugang zu den Bankautomaten barrierefrei gestaltet sein muss.
  • Uneinheitliche Umsetzung in den Ländern. Durch die Zuständigkeit der Länder ist nicht garantiert, dass alle Regelungen des BFSG bundesweit gleichförmig um- und durchgesetzt werden.

Tests: Ist Ihre Website barrierefrei?

Die wichtigsten Tests für die Bestimmung der Barrierefreiheit auf Websites prüfen die bereits oben beschriebenen Standards.

Für Deutschland dürfte der wichtigste Test der BITV-Test der Initiative BIK (“barrierefrei informieren und kommunizieren”) sein; er prüft jene Anforderungen für Barrierefreiheit, die in der BITV 2.0 definiert sind. Da diese Standards schon seit Jahren für öffentliche Einrichtungen verbindlich sind, gibt es hier auch genug Erfahrung und Praxis.

Auf der Website zum Test wird ausführlich das genaue Testverfahren beschrieben sowie die einzelnen Prüfschritte, die im Test durchgeführt werden. Am Ende steht ein BITV-Prüfzeichen, das die Konformität (oder eben nicht) mit den Anforderungen der BITV bescheinigt.

Analog gibt es auch einen Test gemäß WCAG (noch in Version 2.1), der international eine Rolle spielen kann. Die Anforderungen dieses Tests sind allerdings weitgehend im BITV-Test enthalten, der die WCAG-Kriterien auf Konformitätsstufe AA überprüft.

Kostenlose Tests für eine erste Übersicht

Da die offiziellen BITV- und WACG-Tests sehr aufwändig und teuer sind, empfiehlt es sich, für eine erste Einschätzung der eigenen Website auf frei verfügbare Tools zurückzugreifen, die kostenlos und innerhalb weniger Minuten eine erste Einschätzung ermöglichen.

Bei den meisten Websites, wie sie gegenwärtig umgesetzt werden, wird sich dabei herausstellen, dass sehr viele der Anforderungen zur Barrierefreiheit nicht eingehalten werden – ein deutlicher Hinweis darauf, dass Handlungsbedarf besteht und Sie die Suche nach geeigneter Unterstützung nicht hinauszögern sollten.

Eine Übersicht über verschiedene Tools, die auch auf deutsche und Europäische Kriterien achten, finden Sie bei der WAI; eine kleine Auswahl gibt es auch bei einfach-fuer-alle.de. Die Tools (z.B. WAVE von Webaim, Accessscan von Accessibe oder der Acessibilitychecker) weisen in der Regel auf zentrale Probleme hin, soweit sie sich technisch sofort identifizieren lassen, und geben zum Teil auch Handlungsempfehlungen, was konkret wie angepasst werden könnte. 

Eine gründliche Einschätzung der Aufwände und notwendigen Änderungen erhalten Sie aber sicher von der Digitalagentur Ihres Vertrauens.

Fazit: Wie geht es weiter?

Wenn die Website Ihres Unternehmens noch nicht barrierefrei ist, sollten Sie möglichst bald von einem Rechtsbeistand prüfen lassen, ob die Regelungen und Anforderungen des BFSG für Sie, Ihre Produkte oder Dienstleistungen gelten – und ob auch Ihre Website den Kriterien des Gesetzes genüge tun muss.

Sie brauchen eine barrierefreie Website nach BFSG? Dann sollten Sie bald handeln. Bis Juni 2025 ist es derzeit (Stand November 2023) zwar noch eine Weile hin – die Zeit, um den Relaunch einer großen Website zu planen und durchzuführen, wird allerdings langsam knapp. Dabei ist dies nun eine perfekte Gelegenheit, Ihre Website dabei auch technisch auf den neuesten Stand zu bringen.

Sie haben gerade erst einen Relaunch hinter sich? Dann sollten Sie dennoch mit Ihrer Agentur besprechen, auf welche möglichst sparsame, aber dennoch effektive Weise Sie Ihre Website barrierefrei machen können.

Die Perspektive ist klar: die Pflicht zur Barrierefreiheit wird in Kraft treten. Sie sollten das Thema möglichst bald angehen, damit Sie sich später keine Sorgen mehr machen müssen.

Die Herausforderungen, die damit verbunden sind, eine Website barrierefrei zu gestalten, sind nicht klein, aber der Aufwand lohnt sich auf jeden Fall. Denn eine barrierefreie Website ist auch schlichtweg eine bessere Website. Schneller, besser für SEO-Maßnahmen vorbereitet.

Sie benötigen Unterstützung? Sprechen Sie uns gerne an.

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