Warum das Konzept “Sales Funnel” womöglich nicht ausreicht

Mit der Customer Journey, dem Fly Wheel und dem umgedrehten Funnel gibt es Marketing-Konzepte, die einen etwas anderen Blick auf die Lead-Generierung ermöglichen.

Es gibt, möchte man meinen, so viele Marketing-Konzepte, wie es Marketing-Experten gibt. Das deutet aber nur darauf hin, dass jedes Konzept, jeder Ansatz sich an seinem konkreten Anwendungsfall messen lassen muss – und niemals ohne Anpassungen angewandt werden kann.

Dennoch lohnt es sich natürlich, sich die verbreitetesten Konzepte genau anzusehen und miteinander zu vergleichen.

Was ist der Sales Funnel?

Das Marketing-Konzept des “Sales Funnel” beschreibt in einem einfachen Modell, wie aus bisher Unbekannten erst Besucher:innen (zum Beispiel Ihrer Website), dann Leads und schließlich Kund:innen werden.

Das Bild des “Funnel”, des Trichters wird dabei verwendet, um die zunehmende Verengung nach unten hin zu visualisieren, also den Umstand, dass es stets mehr Unbekannte und Besucher:innen gibt als Kund:innen.

(Da nicht alle, die oben in den Trichter hineingehen, unten als Kund:innen hinausgehen, ist das Bild des Trichters auch nicht ganz präzise, denn dieser dient ja dazu, alles, was oben hineingeht, an einer Stelle konzentriert hinauszulassen. Beim Sales Funnel haben wir es also eher mit einer sehr löchrigen Angelegenheit zu tun, einer Art Sieb mit Ziel.)

Für den Sales Funnel werden auch die Begriffe “Conversion Funnel” (wenn der Fokus auf den Conversions zwischen den verschiedenen Schritten liegt) oder “Marketing Funnel” verwendet. Die Verwendung ist allerdings nahezu analog.

Der Sales Funnel funktioniert als Marketing-Werkzeug, weil er die verschiedenen Stadien (Positionen im Trichter) beschreibt, durch die sich zukünftige Kund:innen bewegen und in denen sie auf unterschiedliche Weise angesprochen werden können.

Alternativen zum Sales Funnel

Der klassische Sales Funnel, gelegentlich auch als “Verkaufstrichter” übersetzt, wurde schon einige Male als überholt beerdigt, nur um dann fröhlich seine Auferstehung zu feiern. Die größte Schwierigkeit mit dem Modell ist sicherlich, dass es relativ starr ist – und den Kund:innen relativ wenig eigene Beweglichkeit zuschreibt.

Deshalb ist es auf jeden Fall sinnvoll, einen Blick auf alternative Modelle zu werfen – denn diese haben mindestens durch die Verschiebung ihrer Perspektive durchaus ihre eigenen Vorzüge.

Sales Funnel vs Customer Journey

Für unsere eigene Agenturpraxis und im B2B-Kontext beziehen wir uns lieber auf die Customer Journey, die “Kundenreise”, weil diese als Maßstab die Perspektive der Kund:innen und ihre Bedürfnisse nimmt. Das bedeutet konkret: Es gibt keine gleichförmige Bewegung durch den Trichter hindurch, deren Reihenfolge primär an dem ausgerichtet ist, was das eigene Unternehmen als wichtig ansieht. Stattdessen werden die Kund:innen als Subjekte, Akteur:innen betrachtet, die Kundenreise vollzieht sich anhand der Schritte, die sie vornehmen, wenn sie auf der Suche nach neuen Geschäftspartner:innen sind.

Auch in der Customer Journey gibt es unterschiedliche Phasen, die beschreiben, wie nahe die Kund:innen an einem Geschäftsabschluss sind – die Reise ist jedoch weniger linear (betrachtet also die Bewegung der Kund:innen als flexibler), und die Perspektive der Customer Journey als Instrument zielt primär darauf ab, die potentiellen Kund:innen an den von ihnen selbst gewählten und aufgesuchten Touchpoints abzuholen – sie also an den Berührungspunkten, die man mit ihnen hat, mit geeigneten Inhalten und Interaktionen abzuholen und zu versorgen.

Diese Perspektive ist stark von zweierlei Paradigmen geprägt:

  • Die Kund:innen recherchieren und entscheiden sehr selbständig – die Informationsfülle ist durch die Möglichkeiten des Internet enorm groß, ihre Verfügbarkeit nicht durch Marketing-Events oder bereits vorhandenes Material begrenzt. Dadurch entsteht einerseits die Notwendigkeit, möglichst genau passende Informationen bereitzustellen und andererseits die Möglichkeit, auch jene Kund:innen zu erreichen und anzusprechen, die man als Unternehmen anders womöglich nie erreicht hätte.
  • Content-Marketing ist eine nachhaltige Strategie: Die Bereitstellung von Informationen, von Inhalten, die auf die Bedürfnisse, Interessen und Herausforderungen Ihrer Kund:innen abgestimmt sind, sind dazu geeignet, deren Interesse zu wecken und eine Verbindung zu diesen Kund:innen herzustellen. Dafür ist es wichtig, die möglichen Touchpoints zu antizipieren und zu besetzen, um so zum Begleiter, zur Begleiterin der Kund:innen auf ihrer Customer Journey werden zu können.

Alles, was Sie wissen müssen Die Customer Journey im B2B: planen, nutzen, tracken

Sales Funnel vs Fly Wheel

Spätestens seit 2018 gibt es auch noch das “Flywheel” mit einer zirkulären Struktur von Attract (Anziehen), Engage (Mitreißen) und Delight (Begeistern). Dieses hat gegenüber dem Trichtermodell einige Vorteile, wie wir seinerzeit ausführlich beschrieben haben:

  • Auch im Flywheel ist der Kunde nicht das Objekt, das durch den Trichter bewegt werden muss, stattdessen dreht sich das Rad um den Kunden herum und beschreibt die verschiedenen Phasen, in denen der Kunde auf unterschiedliche Weise angesprochen werden muss.
  • Durch seine Radstruktur ist das Flywheel keine Einbahnstraße, sondern geht von einer kontinuierlichen und auch nach einem eventuellen Kauf vorhandenen Beziehung zum Kunden an.

Mal umgedreht: “Flip the Funnel”

Das Konzept “FlipMyFunnel” wird unter anderem von dem Online-Marketing-Experten Sangram Vajre vertreten und dreht den Trichter um. Die Perspektive bleibt hier der Blick aus dem Marketing, der Fokus liegt aber auf dem Targeting und einer spezifischen Vorgehensweise.

Statt eines Trichters, in den oben Unbekannte reinfallen und unten Kund:innen rausfallen, gibt es einen umgedrehten Trichter, genauer: einen Kegel, der nach unten hin breiter wird und zeigt, wie sich das Publikum für die eigenen Marketing-Maßnahmen ausweitet.

An der Spitze steht die Definition und Identifikation des Zielpublikums, das dann konkret angesprochen wird. Durch deren Aktivierung und Engagement erweitert sich dann das Publikum, bis die Kund:innen selbst zu aktiven Botschafter:innen der eigenen Marke werden und diese bei anderen Kund:innen als Testimonials weiter bewerben.

Die Herangehensweise ans Marketing ist in diesem Modell jene des Account-Based Marketings (ABM), in dem das Targeting zielgerichtet auf jene potentiellen Kund:innen fokussiert wird, die am besten zum eigenen Unternehmen, zu den eigenen Leistungen und Produkten passen. Wir haben das Modell und seine Vorzüge hier schon ausführlich vorgestellt.

Das Modell als “umgedrehten” Sales Funnel zu beschreiben, ist allerdings ein wenig Etikettenschwindel. Denn die sich nach unten verjüngende Trichterform des Funnel-Modells (so unvollkommen sie als Bild sein mag) verweist ja auf die abnehmende Zahl der jeweils Angesprochenen in den unterschiedlichen Phasen des Verkaufsvorgangs.

Im ABM hingegen hat man es eigentlich zunächst mit einer relativ engen Röhre zu tun, die sich nur insofern erweitert, als man innerhalb der sehr eng definierten Key Accounts dann jeweils mehrere Personen anspricht und in den Blick nimmt.

Die großflächigere Erweiterung, die das Modell für seine Basis suggeriert, findet zum einen allenfalls erst dann statt, wenn es bereits zufriedene Kund:innen gibt, die als Testimonials auftreten. Zum anderen ist sie zumindest für B2B-Unternehmen mit relativ engem potentiellem Kundenkreis je nach bisheriger Ausrichtung des Marketings nur eine Verstärkung des Echos innerhalb der leicht erweiterten Röhre: Die eigene Botschaft wird deutlicher und besser gehört, aber wiederum hauptsächlich von jenen potentiellen Kund:innen, die man eh schon als Key Accounts im Blick hatte.

Fazit: Selber bauen macht glücklich

Die verschiedenen Modelle haben alle ihre Vor- und Nachteile, die es stets abzuwägen gilt, bevor man sich für eines entscheidet, um die eigene Marketing-Strategie darauf aufzubauen.

Wichtig dabei ist, sich stets im Klaren darüber zu sein, dass es sich um Modelle handelt. Als solche beschreiben sie immer nur einen Teil der Realität – und lassen sich auch immer nur teilweise auf die eigene Arbeit und die eigenen Anforderungen anwenden.

Statt sich sklavisch entlang eines Modells entlangzuhangeln, ist es sinnvoll, die eigenen Maßnahmen durch praktisch gemachte Erfahrungen anzupassen, neu zu modellieren und zu verändern. Customer Journey, Flywheel oder Funnel – ob gedreht oder nicht – funktionieren als grundsätzliche Orientierungshilfe, können aber nie ersetzen, dass jede Marketing-Maßnahme sich immer auch in der Praxis für einen selbst bewähren muss.

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