Das Interesse an Messen und Konferenzen, die rein online stattfinden, hat in jüngster Zeit deutlich zugenommen – auch schon vor dem Beginn der Corona-Pandemie und den Maßnahmen, die dagegen eingeleitet wurden. Die Möglichkeit, zu Fachthemen zusammenzukommen, ohne sich physisch zu begegnen ist so aus gesundheitlichen Gründen interessant geworden – aber es gibt natürlich eine Reihe von Gründen jenseits der Pandemie, die für (aber auch gegen) solche virtuellen Events sprechen. Wir stellen die wichtigsten vor.
Direkt zur Checkliste: Lohnt sich die Teilnahme an der Messe für mich?
Zunächst einmal: Was genau sind virtuelle Messen?
Virtuelle Messen sind in der Regel eine Mischung aus Branchentreffen und Fachkonferenz. Sie verbinden, ähnlich wie bei regulären, physischen Messe-Events, einen Ausstellungsbereich, in dem Unternehmen und Organisationen sich und ihre Produkte präsentieren können, mit verschiedenen Veranstaltungen. Innerhalb der Vorträge, Diskussionen und Präsentationen werden zum Beispiel Produkte vorgestellt oder Themen diskutiert, die für die Branche von Bedeutung sind.
Vielleicht ebenfalls interessant Digitale Maßnahmen gegen das Messeloch
Was ist bei einer virtuellen Messe anders?
Das entscheidende Merkmal einer Online-Messe ist, dass es keinen physischen Ort gibt, an dem sie stattfindet; Messestände wie Veranstaltungen, Gespräche wie Vorträge finden ausschließlich digital statt. Inzwischen gibt es auch hybride Formate, die virtuelle Veranstaltungen mit analogen Treffen verbinden. Wie genau (und wie gut) der digitale Anteil dabei funktioniert, hängt dann viel von der genutzten Technologie und natürlich von der Organisation des Events ab.
Wie läuft eine virtuelle Messe ab?
Viele Online-Messen bilden Verlauf und auch Geographie physischer Messen bildhaft nach: Es gibt einen Empfangsbereich, eine „Ausstellungshalle“ und „Vortragsräume“. Die Veranstaltung ist live, das heißt: An den virtuellen Messeständen lässt sich unmittelbarer Kontakt zu Mitarbeitern der jeweiligen Firma aufnehmen, die entsprechend für Anfragen verfügbar sein müssen. Auch Vorträge werden live gehalten, so dass Nachfragen und Diskussionen möglich werden. (Idealerweise lassen sich die Vorträge dann auch später noch anhören – allerdings natürlich ohne die Möglichkeit einer direkten Interaktion.)
Kriterien für den Besuch einer virtuellen Messe
Die Kriterien für die Entscheidung, als Aussteller (oder auch nur als Teilnehmer) an einer virtuellen Messe teilzunehmen, sollten eigentlich die gleichen sein wie für eine analoge.
Warum gehen wir eigentlich auf Messen und Konferenzen?
- Branchentreff: Nirgendwo ist es leichter, zu Kolleginnen und Kollegen der eigenen Branche Kontakt aufzunehmen, Informationen auszutauschen, neue Produkte und Dienstleistungen kennenzulernen. Vor allem aber: Hier sind viele Anbieter gleichzeitig vertreten.
- Persönliche Begegnung: Auch wenn das B2B-Geschäft kühl kalkuliert und bewertet sein will – wir alle brauchen den menschlichen Kontakt. Er ist auch enorm wichtig für uns, um das Gegenüber wirklich einschätzen zu können. Und es macht das Arbeiten schöner.
- Wissen erweitern: Messen und Konferenzen dienen auch dazu, neue Methoden kennenzulernen, das eigene Marketing-Wissen zu erweitern und viele neue Informationen zu sammeln.
Virtuelle Messen können diese Kriterien zum Teil erfüllen, zum Teil nur nachbilden: Manches fällt dabei online leichter, manches hingegen fällt weg.
Welche Vorteile bieten virtuelle Messen und Konferenzen?
In einigen Bereichen sind virtuelle Veranstaltungen ihren physischen Entsprechungen in der Tat überlegen.
- Kosten
Die Teilnahme an virtuellen Events (sowohl als Aussteller als auch als Teilnehmer) ist meist günstiger. Vor allem entfallen in der Regel alle begleitenden Kosten für Anreise, Hotel und Spesen. Statt eines analogen, physischen Messestandes muss eine digitale Entsprechung entworfen werden – je nachdem, wie individuell er sein soll (oder kann), ist das allerdings auch nicht ganz billig. - Geringerer Zeitaufwand
Da keine Anreise notwendig ist, ist die Teilnahme auch für kürzere Events oft leichter möglich und organisierbar. Während der Messe selbst ist es möglich, ohne Verzögerung z.B. von einem Vortrag zu einem anderen zu wechseln. Dadurch können grundsätzlich auch mehr Termine wahrgenommen werden. - Reichweite kann größer sein
Durch die beiden erstgenannten Aspekte ist es wahrscheinlich, dass an der Messe auch Personen teilnehmen, für die eine Anreise zu einem physischen Event nicht möglich oder zu aufwändig wäre. Dadurch wird der potentielle Teilnehmerkreis der Veranstaltung unter Umständen deutlich größer. - Vorträge vor größerem Publikum möglich
Anders als bei einer physischen Messe, bei der die Räume nur eine begrenzte Kapazität haben, gibt es im virtuellen Raum für einzelne Vorträge keine Begrenzung der Teilnehmerzahl – es sei denn, das ist ausdrücklich erwünscht. Das kann zum Beispiel der Fall sein, um eine künstliche Verknappung herzustellen – oder aber, um einen gezielten multilateralen Austausch mit dem Publikum herstellen zu können. - Inhalte sind zeitlich nicht an die Messe gebunden
Grundsätzlich können alle virtuell gehaltenen Vorträge oder Präsentationen auch nachträglich angesehen und aufgerufen werden. Es fehlt dann allein die Möglichkeit der direkten Interaktion. Videoaufzeichnungen von Vorträgen z.B. werden inzwischen oft aber auch von „physischen“ Messen bereitgestellt. - Mögliche Anonymität oder Pseudonymität
Grundsätzlich gehört es zu Messen dazu, dass wir uns mit Namen und Gesicht gegenübertreten und kennenlernen. In manchen Kontexten kann es aber gerade gut sein, anonym oder pseudonym (also unter einem Kunstnamen) auftreten zu können. Gerade für Bewerbermessen kann das zum Beispiel ein wichtiges Plus sein, um zu vermeiden, dass das äußere Erscheinungsbild, der Name oder ähnliches einen zu großen Einfluss auf den Gesprächsverlauf hat. - Andere Präsentationsformate möglich
Auf einer Messe ist man am Messestand auf die Möglichkeiten beschränkt, die man direkt dort zur Verfügung hat – so zahlreich diese unter Umständen auch sein mögen. Bei einer virtuellen Messe ließe sich ein Besucher zum Beispiel gleich live mit zu einer Werksführung nehmen oder zu einer Maschinenvorführung, die in einer realen Messehalle nicht möglich wäre. Kreativität ist hier Trumpf! - In der virtuellen Messehalle sind alle gleich
In einer physischen Messehalle sind es oft die größten und lautesten Stände, die besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Je nachdem, wie die virtuelle Messe aufgebaut ist, kann sie durchaus egalitärer sein: Über die Suchfunktion wird jeder Stand schließlich gleich gut gefunden.
Welche Nachteile haben virtuelle Messen und Konferenzen?
Eine ganze Reihe von wichtigen Kriterien sorgt dafür, dass bei allen Vorteilen des virtuellen Formats auch reale Messehallen so schnell nicht abgerissen werden:
- Wirklich persönliche Begegnung ist nicht möglich
Der hauptsächliche Vorzug von realen Messen ist die persönliche Begegnung – und die ist virtuell schwierig nachzubilden. Es gibt zahlreiche Versuche der Annäherung: Chats in kleiner oder großer Runde, offene Videokonferenzen für Kleingruppen, die Möglichkeit zum direkten Wechsel in persönliche Gespräche mit oder ohne Video. Ein vollständiger Ersatz für das persönliche Treffen bei einem Kaffee oder Tee ist das alles nicht. - Physisches Testen von Produkten nicht möglich
Wenn Sie zum Beispiel eine erklärungsbedürftige Maschine betrachten und testen wollen, so ist dies natürlich im Rahmen einer virtuellen Messe nicht möglich: es fehlt die haptische Erfahrungsebene. Die Vereinbarung eines Termins für eine persönliche Präsentation ist da nicht immer ein geeigneter Ersatz, weil er doch mit größeren Aufwänden und Kosten verbunden ist. - Beschränkungen der Technik sind die Beschränkungen der Welt
Auf einer virtuellen Messe können Sie nur tun, was im System auch vorgesehen ist. Ob der Videochat funktioniert, die Interaktion während der Vorträge möglich ist, ob sich wirklich die Gelegenheit zum persönlichen Gespräch bietet, aber auch, ob Ihr Messestand wirklich gefunden und besucht wird – all diese Dinge hängen davon ab, wie die Messe-Plattform programmiert, was damit möglich gemacht wurde. - Ein Systemausfall kann ein Totalausfall sein
Eine direkte Folge des vorigen Punktes ist auch: Wenn das System, mit dem die virtuelle Messe veranstaltet wird, ausfällt – wegen eines Softwarefehlers, wegen eines Serverausfalls, viele Gründe sind ja denkbar –, dann findet auch die ganze Messe nicht statt. Allerdings wird ein seriöser Anbieter sich mehrfach dagegen abgesichert haben, dass das passieren kann.
Vielleicht ebenfalls interessant Corona: Jetzt die Customer Journey digital anpassen!
Nach welchen Kriterien kann ich die virtuelle Messe bewerten?
Aus den möglichen Vor- und Nachteilen lassen sich eine Reihe von Kriterien entwickeln, die Sie für die Bewertung einer virtuellen Messe anlegen sollten.
Welche Möglichkeiten bietet die Messe?
Was genau wird auf der Messe stattfinden – Vorträge, Podien, gibt es Messestände und Informationsmöglichkeiten? Wie sind die Möglichkeiten zur Interaktion, zu persönlichen Gesprächen, zur Kontaktaufnahme?
Lassen Sie sich von den Veranstaltern genaue und ausführliche Informationen dazu geben, wie das System aufgebaut ist, mit dem die Messe durchgeführt werden soll. Ideal wäre auch eine virtuelle Tour durch das System, wenn möglich auch mit ersten Testmöglichkeiten. Legen Sie dazu vorher fest, was Ihnen besonders wichtig ist, um diese Punkte klar abschätzen zu können.
Der virtuelle Messestand
Auf vielen virtuellen Messen wird ein Messestand nachgebildet, so dass es die Möglichkeit gibt, hier z.B. in verschiedenen Bereichen Informationen zu unterschiedlichen Produkten anzupreisen. Damit dieser Messeauftritt seine Investition wirklich wert ist, sollten Sie eine Reihe von Kriterien prüfen:
- Wie findet meine Zielgruppe den Weg zu mir? Werden die Messestände thematisch gruppiert? Gibt es nur eine lose Suchfunktion? Gibt es eine virtuelle Entsprechung von Messehallen, durch die die Besucher „schlendern“ können (oder gar müssen)?
- Wie hoch sind die Kosten, welche Aufwände sind erforderlich für die Erstellung des Messestandes? (Denken Sie dabei daran, dass Sie natürlich alle Kosten für Erstellung, Miete und Aufbau eines physischen Messeauftritts sparen! Auch Papierbroschüren und Snacks gehören dazu.)
- Welche visuellen Gestaltungsmöglichkeiten haben Sie für den Messestand wirklich? Lässt sich 1:1 nachbilden, was Sie in der Messehalle aufbauen wollten, gibt es feste Baukästen, enge Grenzen? Je freier sie in der Gestaltung sind, desto kreativer können Sie werden – müssen dafür aber natürlich auch entsprechende Aufwände einplanen.
- Welche Möglichkeiten haben Sie, Ihren Messestand zu bewerben? Damit Besucher an Ihrem digitalen Stand Halt machen, müssen sie wissen, dass es Ihr Unternehmen, Ihre Dienstleistung gibt. Gerade wenn Sie die Messe nutzen wollen, um Ihrem Produkt in der Branche Sichtbarkeit zu verschaffen, sollten Sie hier Möglichkeiten haben, auf sich aufmerksam zu machen.
- Welche Informationen und Formate lassen sich in den Messestand einbinden? Idealerweise können die Besucher dort direkt auf Informationen zugreifen, die sie als Dateien oder Videos bereitstellen. Aber natürlich wollen Sie auch ins persönliche Gespräch kommen und Kontaktinformationen, also Leads, erhalten. Dafür braucht es Chatfunktionen, mit Text oder Video, E-Mail-Formular, Newsletteranmeldungen und andere Formate.
- Wie hoch ist der Betreuungsaufwand während der Messe? Auch bei einer virtuellen Messe muss Ihr Unternehmen immer genug Personal bereitstehen, um Fragen zu beantworten und sofort auf Kontaktversuche zu reagieren. Bedenken Sie, dass hier die Bereitschaft der Besucher, lange auf ein Gespräch zu warten, unter Umständen sehr gering sein kann. Aber natürlich können Sie auch hier, wie auf regulären Messen, Gesprächstermine ausmachen.
- Lässt sich der „Messestand“ über die Messe hinaus nutzen? Und ist das überhaupt sinnvoll? Eine Wiederverwendung des gleichen Standes im folgenden Jahr ist wahrscheinlich wenig attraktiv; Ihren Messestand auf der eigenen Website einzubinden kann aber womöglich ein netter „Gag“ sein. Allerdings bietet das Web effektivere und sinnvollere Möglichkeiten, Ihren Interessenten Informationen zu präsentieren, z.B. über zielgerichtete Landingpages.
Checkliste: Lohnt sich die Teilnahme an der virtuellen Messe für mich?
Aus allen genannten Vor- und Nachteilen, den Kriterien für Messebesuche und Fragen zum Messestand, lassen sich eine Reihe von Kernfragen destillieren, aus denen sich bemisst, ob sich die Teilnahme an einer Messe für Sie als Teilnehmer oder Aussteller wirklich lohnt:
- Branchentreff: Kommen zu dieser Messe wirklich viele Menschen aus jener Branche bzw. jenen Branchen, die Sie ansprechen wollen? Sind andere Unternehmen dort, für deren Arbeit Sie sich interessieren, sind Ihre potentiellen Kunden voraussichtlich da? (Gibt es vielleicht schon Erfahrungen aus den vergangenen Jahren?)
- Begegnung: Gibt es die Möglichkeit zur direkten Begegnung? Wie gut sind die Möglichkeiten zum direkten und persönlichen Austausch ausgebaut, wie avanciert ist die genutzte Technologie?
- Wissenstransfer: Gibt es ausreichend Vorträge und inhaltliche Veranstaltungen, die Sie interessieren und weiterbringen? Sind die Veranstaltungen während der Messe interaktiv und anschließend auch weiterhin abrufbar?
- Aufwand und Kosten: Stehen die Aufwände für virtuellen Messestand, für Vor- und Aufbereitung der Informationen, für die Betreuung des eigenen Messestandes etc. in einem guten Verhältnis zu dem erwarteten ROI durch neue Leads und Aufträge?
- Technologie: Überprüfen Sie, welche technische Lösung der Veranstalter für die virtuelle Messe nutzt und welche Möglichkeiten diese Plattform bietet. Machen Sie sich dafür vorher auch klar, was Ihnen besonders wichtig ist. Eine gute Übersicht über verschiedene Plattformen finden Sie hier.
Fazit
Mit unseren Kriterien können Sie bewerten, ob die Teilnahme an einer virtuellen Messe oder Konferenz für sie lohnend ist, unsere Checkliste ermöglicht hoffentlich eine rasche Entscheidungsfindung.
Natürlich besteht immer die Möglichkeit, zunächst gewissermaßen „zur Probe“ nur als Teilnehmer, nicht auch als Aussteller dabei zu sein – unter Umständen ärgern Sie sich aber im Nachhinein, nicht mehr gewagt zu haben. Etwas Recherche vorab kann solche Frustrationen verhindern.