Buying Center: Einkaufsprozesse im B2B begreifen und beeinflussen

Mit einem Buying Center rationalisieren Unternehmen ihre Einkaufsprozesse. Das muss keine Black Box sein: Mit geeigneten Personas können Sie die beteiligten Akteurinnen und Akteure besser verstehen und Ihre Marketing- und Vertriebsmaßnahmen an ihre Bedürfnisse und Anforderungen anpassen.

Ein kurzes Verkaufsgespräch oder ein schneller Abschluss per Handschlag sind die Ausnahme: Entscheidungen über Einkäufe im B2B werden oft von einem Buying Center getroffen. Das Buying Center bringt alle diejenigen Mitglieder eines Unternehmens zusammen, die in den Kaufprozess für ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung involviert sind.  

Rationalisierung des Einkaufsprozess

Der Grund dafür: Die Installation eines Buying Centers ist der Versuch, alle möglichen Risiken zu minimieren, die im Rahmen eines Einkaufs entstehen können. Fehlentscheidungen, die sich erst im Anschluss einer Einkaufsentscheidung zeigen werden, sollen dadurch so gut wie möglich vermieden werden.

Im Buying Center wird eine Einkaufsentscheidung nicht von einer Person allein getroffen, sondern von einer Gruppe. Mehrere Personen, die in der Regel aus unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens kommen, bringen verschiedene fachliche Perspektiven mit. Damit wird die Gefahr reduziert, dass etwas übersehen oder nicht ausreichend geprüft wird.

Dabei wird zugleich angenommen, dass die komplexen Prozesse der Informationsbeschaffung und Abstimmung, die sachlich und fachlich durchgeführt werden, stärker auf eine rationale Basis gestellt werden. Spontaneinkäufe, die überwiegend durch Emotionen geleitet sind und die sich im Nachhinein oft als ungünstig herausstellen, sind durch die Installation eines Buying Centers so gut wie unmöglich.

Für Ihre Verhandlungen mit einem Unternehmen bedeutet das aber auch, dass Sie die Bedürfnisse, Fragen und Anforderungen der Teilnehmer:innen des Buying Centers im Blick haben müssen – und bereit sein müssen, sich auf den etwas langwierigeren Prozess einzulassen, den ein Buying Center mit sich bringt.

Die Teilnehmer:innen des Buying Centers

Für Sie als Unternehmen ist es wesentlich, alle an der Kaufentscheidung beteiligten Personen zu identifizieren. Denn dies ist eine Voraussetzung, um den Einkaufsprozess zu Ihren Gunsten zu beeinflussen.

Hauptpersonen, die unmittelbar an der Kaufentscheidung beteiligt sind:

  • Anwender:in (User): verwendet das zu kaufende Produkt oder benötigt die zu beschaffende Dienstleistung. Diese Rolle wird meist gefüllt durch eine:n Leiter:in oder eine:n Mitarbeiter:in der betroffenen Produktionsabteilung.
  • Einkäufer:in (Buyer): holt Angebote ein, beurteilt diese und ist im Anschluss für die vertragliche Abwicklung des Kaufs zuständig. Vertreten durch: Leiter:in oder Mitarbeiter:in der Einkaufsabteilung
  • Beeinflusser:in (Influencer): lenkt den Kaufprozess direkt oder indirekt, indem sie zusätzliche Informationen und Bewertungskriterien mit einbringt. Vertreten durch: Berater:in, Verkäufer:in, Architekt:in oder Arbeitsmediziner:in
  • Entscheider:in (Decider): besitzt die endgültige Entscheidungsautorität. Vertreten durch: Geschäftsleitung oder Entscheidungsträger:in, z.B. leitende Mitarbeiter:in

Personen, die nicht unmittelbar am Entscheidungsprozess beteiligt sind, ihn aber mit beeinflussen:

  • Initiator:in: gibt den Bedarf eines Neukaufs oder notwendigen Investition bekannt und stößt somit den Kaufprozess an. Dies kann theoretisch jede Person sein, die an den Vorgängen innerhalb des Unternehmens beteiligt ist.
  • Wächter:in (Gatekeeper): kontrolliert den Informationsfluss in das Buying Center hinein, indem sie eine Selektierung der zur Verfügung stehenden Informationen vornimmt. Vertreten durch: Assistent:in, Sachbearbeiter:in, Praktikant:in
  • Kuppler:in (Linking Pin): ist das Bindeglied und für die Kommunikation innerhalb des Buying Center verantwortlich. Im Gegensatz zur Wächterin, die beeinflusst, welche Informationen in das Buying Center gelangen, ist die Kupplerin maßgeblich dafür, auf welche Art und Weise über welche Informationen innerhalb des Buying Centers kommuniziert wird. Dieser Rolle kommt dann eine besonders hohe Bedeutung zu, wenn die Buying Center-Beteiligten alle auf der gleichen Führungsebene agieren.
  • Coach: übernimmt eine externe oft beratende Funktion und verfügt über gute Kontakte zu einer Person innerhalb des Buying Centers.

Bei diesen Personen können einzelne Mitarbeiter:innen auch mehrere Rollen einnehmen, eine Rolle kann zugleich durch mehrere Personen repräsentiert sein. Die Beeinflusser:innen können zum Beispiel sowohl extern wie intern (beispielsweise Beratungsunternehmen oder Ingenieurbüros) verortet sein.

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Um zu verstehen, welche Fragen und Bedürfnisse die Mitglieder des Buying Centers in den Einkaufsprozess mitbringen, ist es hilfreich, die Rollen jeweils als eine konkrete Buyer Persona zu beschreiben.

Was ist eine Buyer Persona?

Das Konzept der “Buyer Persona” sieht vor, stellvertretend für Ihre Zielgruppe bzw. ein Segment Ihrer Zielgruppe eine fiktive Person zu beschreiben, an der sie Ihre Marketing- bzw. Vertriebs-Maßnahmen ausrichten können.

“Der Zielgruppe ein emotionales Gesicht geben.”

Buyer Persona helfen Ihnen, Ihre Aktivitäten konsequent auf die Bedürfnisse der Zielgruppe auszurichten. Durch die Auseinandersetzung mit einer konkreten Person können Sie Ihre Kernzielgruppe emotional besser verstehen und nachvollziehbar beschreiben.

So entwickeln Sie eine greifbare Vorstellung davon, welche Angebote, Produkte und Leistungen Ihre Zielgruppe benötigt, womit ihre Bedürfnisse erkannt und erfüllt werden.

Ziele des “Buyer Persona”-Konzepts

  • Zielgruppe besser kennenlernen
  • Entwicklung einer effektiven Content-Marketing-Strategie
  • Wirkung steigern durch gezieltes Targeting (Verringerung der Streuverluste)
  • Erkenntnisse in den Verkaufsprozess mit einbeziehen
  • Inhalte erstellen, die Conversions auslösen
  • Produkte, Leistungen und Serviceangebote an den Kundenbedürfnissen ausrichten

Welche Informationen Sie dafür genau benötigen, können Sie hier noch einmal genau nachlesen:

B2B Customer Journey Mapping: Kundenreisen im B2B einfach erstellen

Mit Personas das Buying Center besser verstehen

Ausgehend von den Überlegungen zu dem Buying Center, deren Vertreter:innen Sie womöglich bereits durch Ihre Erfahrungen im Verkaufsprozess kennengelernt haben, lassen sich nun zu den einzelnen Rollen im Buying Center jeweils passende und typische Buyer Personas entwickeln.

Unser Beispiel: Die (fiktive) P&P GmbH

Das Unternehmen P&P – Papier und Prozessleittechnik ist Spezialist im Bereich Entwicklungsdienstleistungen und Sondermaschinenbau in der papierverarbeitenden Branche.

Um für zukünftige Verkaufsprozesse effektiv und vertrauenswürdig aufgestellt zu sein, wird ein typisches Buying Center mit den entsprechenden Buyer Personas erarbeitet. Wir konzipieren ein exemplarisches vierköpfiges Buying Center und überlegen, wie die Buyer Personas auf ihrer Customer Journey adäquat begleitet werden können.

Herangehensweise

Stellen Sie sich bei jeder Buyer Persona die folgenden Fragen:

  1. Was genau macht meine Buyer Persona? Welche Aufgaben fallen in ihren Tätigkeitsbereich?
  2. Was braucht meine Buyer Persona dafür?
  3. Welche Lösungen stehen ihr bisher zur Verfügung?
  4. Welche Lösungen kann ich ihr aus meinem Portfolio anbieten?
  5. Was könnte ich darüber hinaus noch entwickeln?

Daraus ergibt sich die zentrale Frage:
Mit welchen Mitteln hole ich die Buyer Persona ab und überzeuge sie?

Umsetzung

Das Ziel, das alle am Buying Center beteiligten Personen gemeinsam haben, ist die richtige Kaufentscheidung zu treffen. 

Der Einkaufsprozesse im Industriegütermarkt ist geprägt durch seine Komplexität, die Langwierigkeit und seine große Tragweite. Eine Fehlentscheidung kann schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Entscheidungsfindung in Buying Centern erfolgt auf zwei Ebenen, der persönlichen Ebene und der Gruppenebene. Die individuellen Präferenzen der Beteiligten des Buying Centers werden in Interaktionen und abschließenden Abstimmungsprozessen zu einer Gruppenentscheidung verdichtet.

Das Buying Center verteilt die Verantwortung auf mehrere Beteiligte, jedoch bleibt für jed:e Beteiligte:n das Risiko, dass die jeweils spezifischen eigenen Anforderungen von einzelnen Mitgliedern des Buying Centers falsch interpretiert werden  und dies einen ungünstigen Einfluss auf die Kaufentscheidung hat. 

Die zentrale Schwierigkeit für das Buying Center ist, dass sich nach einem Einkauf in der Regel erst mit längerem zeitlichen Abstand offenbaren wird, ob die getroffene Entscheidung auch die richtige war. Die Mitglieder des Buying Center hantieren – wie bei jeder komplexen Entscheidung – immer mit unvollständigen Informationen.

Der wichtigste Faktor im Verkaufsprozess ist Vertrauen.

State of Sales Deutschland 2019

Daraus ergibt sich für Sie bei allen Kontakten mit den verschiedenen Personen das Ziel, neben Ihrer Kompetenz vor allem ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauenswürdigkeit zu übermitteln.

Unsere Beispiel-Personas

Der Anwender

Levi Alsafa ist Leiter der Produktionsabteilung und wird hauptverantwortlich für die Maschine sein, sobald sie im Einsatz ist.

Als Produktionsleiter hat Levi Alsafa die folgenden Anforderungen an den Lieferanten und die Produktionsanlage:

  • Anlage, Technik und Software müssen zuverlässig arbeiten:
    • keine Qualitätsschwankungen,
    • schnelle Umrüstzeiten,
    • geringer Verschleiß und
    • seltene Ausfälle durch technische Defekte.
  • Erreichbarer und professioneller Service bei Problemen jeglicher Art,
  • Anforderungen der Arbeitssicherheit müssen erfüllt sein,
  • Benutzung der Anlage kann schnell erlernt werden und
  • Einbindung in bestehende Systeme und Prozesse muss möglich sein.

Die Einkäuferin

Als Mitarbeiterin im Einkauf legt Tanja Foret großen Wert auf Zuverlässigkeit und attraktive Einkaufsbedingungen.

Bei den Verhandlungen und Gesprächen innerhalb des Buying Centers wird sie folgende Aspekte hinterfragen und herausheben:

  • Anschaffungskosten,
  • Skonto, Rabatte, andere Formen von Vergünstigungen,
  • Dauer der Garantie bzw. Gewährleistung,
  • DIN-Normen, Qualitätssiegel, etc.
  • Serviceleistungen, als Dreingabe oder zu günstigen Tarifen, und
  • evtl. Folgekosten durch Wartung.

Der Beeinflusser

Felix Bauer, der Nachhaltigkeitsmanager im Unternehmen, hat einen genauen Blick auf die Themen, die Nachhaltigkeit und Umweltaspekte betreffen.

Die folgenden Punkte wird er besonders beleuchten:

  • Energie und Ressourcen, die bereits für die Anfertigung der Anlage verwendet werden, 
  • umweltverträgliche Arbeitsbedingungen des Lieferanten,
  • Energie- und Ressourcenbedarf der Anlage im Produktionsbetrieb,
  • Qualitätssiegel betreffend Nachhaltigkeit oder Umweltschutz

Die Entscheiderin

Die Geschäftsführerin Sarah Direk wird das letzte Wort im Kaufprozess haben.

Sie wird sich vor allem den Fragen nach der Rentabilität der Investition (ROI) widmen, darüber hinaus wünscht sie sich, dass die Anlage reibungslos funktioniert und sie sich, nachdem die Entscheidung getroffen wurde, nicht mehr wesentlich mit der Produktionsanlage beschäftigen muss.

Umsetzung

Die klassische Customer Journey wird durch die direkten und indirekten Touchpoints in fünf Phasen unterteilt. Diese Phasen werden im Falle des Buying Centers zum einen auf der individuellen Ebene und zum Teil auch auf der multipersonalen durchlaufen:

  1. Awareness (Bewusstsein)
  2. Consideration (Überlegung)
  3. Purchase (Kauf)
  4. Retention (Bindung)
  5. Advocacy (Empfehlung)

Details zu den einzelnen Phasen haben wir in unserem Hintergrundartikel zur B2B-Customer Journey zusammengetragen:

B2B Customer Journey: Definition und Touchpoints

Schon bevor Sie in den Verkaufsprozess einsteigen, ist es wichtig Ihr Unternehmen u.a. mit den Möglichkeiten des Social Sellings effektiv und authentisch aufzubauen.

So hat die Einkäuferin Tanja Foret Sie womöglich schon auf dem Schirm, wenn sie sich in der Phase der Awareness online nach möglichen Lieferant:innen umschaut. Dann ist es auch von wesentlicher Bedeutung, über eine repräsentative und barrierefreie Website zu verfügen. Hier sollten alle Informationen bereitstehen, die sie benötigt, um Ihr Angebot in die nähere Auswahl aufnehmen zu können. 

In der Consideration – die Phase der Auswahl –, zu der nun der Produktionsleiter Levi Alsafa hinzugezogen wird, können Sie z.B. mit Produktvideos, die Ihre Anlagen im Produktionsbetrieb zeigen, mit Erfahrungsberichten von zufriedenen Kund:innen und mit detaillierten Infografiken punkten. Tanja Foret können Sie überzeugen, wenn Sie als transparenter und zuverlässiger Ansprechpartner bereit stehen, der sach- und fachgerechte Auskünfte erteilt. Zeigen Sie sich flexibel, gehen Sie auf die Bedürfnisse und Wünsche Ihres Gegenübers ein.

Während der Kaufentscheidung – Purchase –, die vom Buying Center getroffen wird, müssen Sie Ihre Marketing- und Vertriebsmaßnahmen auf die Bedürfnisse der einzelnen Beteiligten zuschneiden und diese gezielt einsetzen. Hierbei kann Sie Social Selling unterstützen. Nutzen Sie die Möglichkeit des Social Prospecting und Social Listening. Die Idee von Social Prospecting und Social Listening besteht darin, dass Sie durch aufmerksames Beobachten und Zuhören in den sozialen Netzwerke, auf denen die Beteiligten aktiv sind, Hinweise auf die jeweiligen Bedürfnisse und Wünsche finden. 

Lesen Sie weitere Details zu diesem Thema in unserem bereits erschienen Artikel nach:

Social Selling im B2B – Beziehungen online aufbauen und pflegen

Wenn Sie die letzten beiden Phasen Retention und Advocacy bisher nicht im Blick hatten, werden sie einem aktuell laufendem Kaufprozess nicht dienlich sein. Denken Sie aber an zukünftige Verhandlungen, bei denen Sie wesentlich davon profitieren werden. 

Fazit

Für alle Phasen der Customer Journey sollten Sie den Gedanken im Kopf behalten, dass Sie alle Beteiligten am Einkaufsprozess, alle Buyer Personas, davon überzeugen wollen, dass Sie und Ihre Lösungen die richtige Wahl sind.

Eine konsequente Ausrichtung auf dieses Ziel wird sich in Ihrem Handeln, aber auch in Ihren Online-Präsenzen, Produktunterlagen und Whitepapern widerspiegeln. Denn, wie bereits erwähnt, besteht die Herausforderung im multipersonalen Kaufprozess darin, dass sich erst mit zeitlicher Verzögerung zeigen wird, ob die Entscheidung des Buying Centers tatsächlich die beste war. Wesentlich ist es also, Vertrauen aufzubauen und Zuverlässigkeit zu beweisen, um diese Lücke der Ungewissheit mit Vertrauen und Professionalität füllen zu können.

Sich eingängig mit den Prozessen des Buying Center und den beteiligten Buyer Persona auseinanderzusetzen, wird Ihnen helfen, sich in die Beteiligten hineinzudenken und die Wünsche und Bedürfnisse in ihren unterschiedlichen Ausprägungen zu erkennen. Somit werden Sie in der Lage sein, Ihre Aktivitäten darauf zielgenau abzustimmen und jeden Beteiligten in der richtigen Art und Weise anzusprechen und zu erreichen.

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